Ballade von der Lichtmalerei

Leg etwas in das Licht und schau,
was das Licht mit dem Etwas macht,
dann hast du den Tag über gut zu tun
und manchmal auch die Nacht:

Sobald du den Wandel nicht nur beschaust,
sondern trachtest, ihn festzuhalten,
reihst du dich ein in den Fackelzug
von Schatten und Lichtgestalten.

Die Fackel, sie geht von Hand zu Hand,
von van Eyck zu de Hooch und Vermeer.
Sie leuchtete Kersting und Eckersberg heim
und wurde auch Hopper zu schwer.

Denn die Fackel hält jeder nur kurze Zeit,
dann flackert sein Lebenslicht.
Doch senkt sich um ihn auch Dunkelheit,
die Fackel erlischt so rasch nicht.

Sie leuchtet, solange jemand was nimmt,
es ins Licht legt und es besieht,
und solange einMensch zu fixieren sucht,
was im Licht mit den Dingen geschieht.

Aus: Gesammelte Gedichte 1954–2006, S. 512

Beredtes Grün

21. Mai

Ins Grün starrn. Es scheint dem Menschen eigen,
daß er ins Grün starrt. Das Grün läßt ihn schließen
auf Vögel, auf Tiere, auf Früchte, auf Wasser,
auf Essen und Trinken. Aufs Überleben.

Die Nester, ich raub sie nicht aus, die Tiere,
ich töte sie nicht. Die Früchte, das Wasser
kauf ich im Laden. Und sitz doch und starre
verzückt in das Grün und kann mich nicht lösen
vom leicht bewegten Versprechen: Du findest
hier Vögel und Tiere, Mensch, und Früchte
und Wasser und Schatten der Erde und starrend
vor Grün einen Ort, da überlebt sichs.

Aus: Gesammelte Gedichte 1954–2006, S. 696 f.