Ermahnung

Ruf nicht nach der Mutter, Junge.
Mutter ruft nach dir.
Sag ihr nicht, wie schlecht dir’s geht.
Mutter geht es schlechter.
Klag nicht übers Alter, Junge.
Mutter ist viel älter.
Frag nicht, wie das enden soll.
Mutter weiß die Antwort.

Aus: Gesammelte Gedichte 1954–2006, S. 895

Terzinen über die Vergesslichkeit

nach Kuno von Hofmannsthal

Noch spür ich ihren Dingens auf den Wangen,
Wie kann das sein, daß diese nahen Tage
Dings sind, für immer fort und ganz vergangen?

Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt
Und viel zu kommnichtdrauf, als daß man klage,
Daß alles gleitet und vornüberrinnt.

Und daß mein eignes … Na! durch nichts gehemmt
Herüberglitt aus einem Kind? Ja, Kind,
Mir wie ein Hut unheimlich krumm und fremd.

Dann: daß ich auch vor Jahren hundert war
Und meine Ahnen, die im roten Hemd
Mit mir verdingst sind wie mein eignes Haar.

So dings mit mir als wie mein eignes Dings.

Aus: Gesammelte Gedichte 1954–2006, S. 113

Er altert

Es ist auf dem Unità-Fest in San Giovanni so wie auf allen Festen: Bleibt man lange genug an seinem Platz stehen, kommt jeder an einem vorbei. Die Ravennis mit ihren Kindern kamen vorbei, Aldo und seine Freundin kamen vorbei, Pietro kam vorbei, Pietros Frau mit ihrem neuen Freund kam vorbei, Giovanni, Danilo und Olga kamen vorbei, und alle kannte ich bereits seit sieben Jahren. Und dahinten, in Begleitung des Lastwagenfahrers, traten auch richtig die ersten Frankfurter Pratolino-Paare in den Lichtkreis der Lampe vor dem Freilichtkino, der Film schien zu Ende zu sein, gleich würden auch die anderen dort erscheinen, bald würden sie vorbeikommen und denken: »Ach ja, der Gernhardt ist natürlich auch da.« Gemeinsam aber würden wir denken: »Es ist schon kurios, in Frankfurt, wo wir doch alle leben, sehen wir uns fast nie, hier aber sehen wir uns regelmäßig, sobald der Sommerwahn ausbricht, wenn nicht in San Giovanni, dann in Mercatale, wenn nicht in Mercatale, dann in Montegonzi, wenn nicht in Montegonzi, dann in Montevarchi – Hallo Robert, hallo Silvia, hallo Robert, hallo Peter, hallo Robert, hallo Martha, hallo Robert, hallo Franz, hallo Robert, hallo Evi!«

Ach, keine Sieger kamen da auf mich zu, aber auch keine Schuldigen. Zwar ließ mich ihre Gegenwart spüren, daß wieder ein Jahr vergangen war, dasselbe jedoch tat auch ich ihnen an. Das glich sich aus, ausgeglichen bestellten wir noch einige Wodkas, nein, jetzt bin ich dran, na, dann zahl ich den nächsten, auch das würde sich ausgleichen, einmal hatte ich versucht, die Ursachen solch übermenschlicher Ausgeglichenheit in einem Text zu ergründen, der mit den Worten begann:
Jahre hindurch hatte G auf die immer wieder auftauchende Frage, wie alt denn ein Freund sei, von dem er gerade erzählte, oder eine Reisebekanntschaft, oder ein Arbeitskollege, oder ein Paar, ohne Arg geantwortet: »Ach, noch jung, so etwa unser Alter«, bis er auf einmal – aber wann war das gewesen? – gemerkt hatte, daß selbst Gleichaltrige – von jüngeren Gesprächspartnern ganz zu schweigen – diese Auskunft mit einer gewissen Belustigung zur Kenntnis nahmen. Daraufhin hatte er nach Kräften versucht, diesen Satz zu vermeiden oder ihn, wenn er ihm trotzdem herausschlüpfte, mit einem ironischen Lächeln zu begleiten, das die Belustigung des Gesprächspartners kennerisch vorwegnehmen, augurenhaft teilen und schneidig neutralisieren sollte.

G wußte natürlich, daß er einer Altersschicht angehörte, die dabei war, älter zu werden. Daß er häufig dem weitverbreiteten Irrtum unterlag, alle um ihn her würden wehrlos altern, während er selber aufgrund mächtigen Zaubers nicht gerade jung, aber doch bewahrt und im Grunde unangetastet blieb, fand er verzeihlich, wie er sich ja überhaupt alles verzieh. Manchmal ertappte er sich dabei, die Gesichter von Altersgenossen, die er längere Zeit nicht gesehen hatte, mit komplizenhafter Zärtlichkeit abzulesen – all die Fältchen, Krähenfüße, gerundeten Backen, abgemagerten Hälse, ergrauten oder ausgefallenen Haare erzählten ja etwas, er wußte nur nie, was. Oft war er sich in solchen Momenten bewußt, daß sein Gegenüber sein, Gs, Gesicht ebenso forschend, geradezu gebannt studierte; während im Gespräch die vergangenen Jahre bereits zu nichtssagenden Fragen und Antworten verarbeitet wurden, waren die Augen immer noch dabei, die wahre Geschichte des anderen zu ergründen, bis dann auf einmal, meist geschah das sehr rasch, das erinnerte und das gegenwärtige Gesicht des Gegenübers wieder ein einziges Gesicht wurden, das jetzt so, wie es war, hinnahm, um endlich ungehindert von gegenwärtigen Erfolgen und zukünftigen Siegen lügen zu können.

Doch solche Momente der Zärtlichkeit waren selten; was G das Zusammensein mit Gleichaltrigen ertragen, ja suchen ließ, war die herzwärmende Gewißheit, daß sie alle der gleichen Verbrecherbande angehörten. Zwar hatte jeder von ihnen seine ganz persönlichen Leichen im ganz privaten Keller, zwar kam jeder mit seinen ganz einzigartigen, hochindividuellen Schwindelstrategien über die Runden, doch die Leichen, die Keller und der Schwindel waren letztlich allen gemeinsam, sie wurden vorausgesetzt, respektiert und diskret ausgespart. Das verband.

Natürlich gab es Ausfälle; Altersgenossen, die im geselligen Beisammensein plötzlich das Farbfoto eines gerade erworbenen Hauses herumzeigten und von den Mietern in der Erdgeschoßwohnung erzählten, die leider nicht die Absicht hätten, rauszugehen, weshalb bereits ein Rechtsanwalt hätte konsultiert werden müssen, demzufolge freilich selbst bei Eigenbedarf wenig zu machen sei, ob das nicht, bei aller Sympathie für einen fortschrittlichen Mieterschutz – so lamentierten sie in das immer dichter werdende Schweigen hinein, bis sie endlich erschrocken einhielten und zur Erleichterung aller das Thema wechselten. Waren doch alle glühende Verfechter des striktesten Mieterschutzes und gerade dabei, entweder Hauskäufe zu erwägen oder zu tätigen oder nach bereits vollzogenem Kauf darauf zu sinnen, wie die getätigte Anlage monetär optimal, fiskalisch versiert, ideologisch vertretbar und persönlich befriedigend zu nutzen sei.

Unangenehm berührte es G auch, wenn Gleichaltrige es den Hüpfern nachtaten und auf einmal ihre Beziehungen problematisierten. Daß Beziehungen problematisch waren, lag in ihrer Natur begründet, sie zusätzlich noch zu problematisieren war ungefähr so sinnvoll wie – ach, ihm fiel gar kein Vergleich für diesen Unfug ein. Mit Schaudern erinnerte er sich der Lehrerin, die ohne Vorwarnung dem gesamten Lokal mitgeteilt hatte, sie habe die Absicht, mit einem bestimmten, nicht anwesenden Manne zu schlafen, und werde ihn daher, ganz nach Männerart, erstmal zum Essen einladen – was denn die anderen von dieser fortschrittlichen Keckheit hielten? Zusammen mit dem Gatten der Lehrerin hatte G den Rest des Abends zockend an der Theke verbracht, die Ungehörigkeit des Vorgangs beschäftigte ihn noch lange. Die Panzerknacker problematisierten ihre Brüche doch auch nicht; geradezu verehrungswürdig erschienen ihm, je länger er sich das alles mitansah, jene Gaunerpärchen, die allseits grüßend gegen zehn auf einem Fest einliefen, heiter die erwarteten Antworten auf die zu erwartenden Fragen gaben, sich gekonnt abfüllten und getrennt vergnügten, gegen drei zum Wundenlecken abzogen und beim nächsten geselligen Beisammensein wieder strahlend auf der Matte standen, scheinbar unversehrt und von neuem heiter grüßend. Wie taktvoll sie waren! Welch einen Stil sie an den Tag legten! Stil und Takt – always smart, dachte G gern, den Essaytitel eines von ihm verehrten Russen leicht abwandelnd, wenn er irgendwo auf diese glorreichen Wesen traf, und legte seinerseits den gleichen Takt an den Tag, sobald der Teil X eines solchen Paares alleine auf einem dieser Feste erschien und die obligate Frage nach dem Verbleib des Teiles Y mit äußerst vagen Andeutungen überging.

Natürlich versuchten auch immer wieder welche auszusteigen. Bis auf die Knochen abgemagert erschienen sie nach längerer Abwesenheit und erklärten der gekonnt weghörenden Runde, daß das Heil in biodynamischer Ernährung, absatzlosen Schuhen – »Man muß nämlich immer senkrecht zum Erdmittelpunkt stehen!« – , indischen Kaltwassermassagen oder chinesischen Rückgratrollkuren läge. G waren solche Fluchten keineswegs fremd. Wie die meisten seiner Altersgenossen hatte er sich irgendwann halbherzig an der einen oder anderen beteiligt, in den beschwörenden Reden der Bekehrten fand er seine eigenen Hoffnungen und Niederlagen wieder, sie waren ihm ein Gelächter und eine Scham. Daß all die Fluchten nichts an der Laufrichtung änderten, glaubte er zu wissen. Daß die Bekehrten das nicht zur Kenntnis nehmen wollten, wußte er. Sehr viel wohler fühlte er sich daher in der Gesellschaft jener schon etwas rundlichen Mafiosi, welche nach verbissenen Kämpfen irgendeine strategisch wichtige, leitende Stellung besetzt hatten und nun mit heiterster Gelassenheit rauchend, trinkend und hurend ins Verderben marschierten. Im letzten Augenblick würde er ja doch gerettet werden, soviel war sicher. Er war gefeit, er würde schon noch irgendein Schlupfloch finden. Schade um die andern!

Ganz ungläubig aber musterte G jene Jüngeren, die sich ihm und seinesgleichen geradezu ehrfürchtig näherten, kein Wort über die verdächtig schmutzigen Hände verloren, welche sich ihnen entgegenstreckten, die all die sie umgebenden Narben, die Flecken dubiosester Herkunft und die durchnäßten Verbände überhaupt nicht zu sehen schienen, sondern strahlend zu verstehen gaben, sie wären gerne mit von der Partie bei diesem prächtigen Haufen. Das Holla und Hussa He!, mit dem die Neuankömmlinge daraufhin allenthalben begrüßt wurden, mutete G jedesmal geradezu verbrecherisch an, obwohl er sich an ihm natürlich nach Kräften beteiligte. Insgeheim aber dachte er, daß doch irgend jemand aufspringen und die jungen Menschen am Ärmel ziehen und warnen müsse. Manchmal war er sogar drauf und dran, sie zu fragen, warum um Himmels willen sie danach drängten, aufgenommen zu werden, ihre Pflicht sei es doch anzuklagen, er lege sich täglich die frischesten Rechtfertigungen zurecht, die aber welkten und schrumpelten stets ungenutzt dahin, er bitte sie daher inständig –

Weiter war ich in meinen Überlegungen nicht gekommen, da – Da eine äußerst wichtige, eminent künstlerische Arbeit dich an der Fortsetzung hinderte – war es nicht so? Und ging es nicht – nein, unterbrich mich jetzt nicht, laß mich raten – ging es nicht um – oh! jetzt erinnere ich mich – ging es nicht um Magenbitterwerbung?

»Magenbitterwerbung, Magenbitterwerbung, Magenbitterwerbung!« tönte es von den Felswänden, die zu großen Teilen bereits im Schatten lagen. Nur auf den Zinnen brach sich noch das Licht der untergehenden Sonne. Ich schaute mich um. Die anderen waren zurückgeblieben, Sonja allein hatte mit mir Schritt halten können. Lächelnd sagte ich:

»›Ob eines tiefen Ufers höchstem Saume
Gebaut aus Trümmern, die im Kreis hier liegen
Gelangten wir zu grauenvollerm Raume‹ –
ist es nicht merkwürdig, daß mir an einem Ort wie diesem stets die Anfangszeilen aus Dantes Elftem Gesang einfallen?«

»Nein.«

»Ganz meiner Meinung. Was sollte einem hier sonst einfallen. Doch was tust du da?«

»Ich dränge mich an dich.«

In der Tat hatte sie ihren schmalen Körper gegen meinen Rücken gelehnt. Ich spürte das Gewicht ihrer kleinen Brüste, ihre Hände streichelten meine Schenkel.

»Mir war so, als hätte ich eben das Wort ›Magenbitterwerbung‹ gehört. Was hat es damit auf sich?«
Sie preßte sich enger an mich und begann, mir das Hemd aus der Hose zu ziehen.

»Das ist eine lange Geschichte. Einst war es der mächtigen Agentur Young & Rubicam gelungen, einen großen Magenbitter-Etat der Firma Eckes an Land zu ziehen, da sie dem Kunden versprochen hatte, den Magenbitter mit einer ausnehmend prächtigen Großplakataktion zu bewerben. Doch als es darum ging, die Entwürfe ins Reine zu zeichnen, da gab es keinen Zeichner, der vor den Augen des Kunden Gnade gefunden hätte. Schon wollte die Agentur verzweifeln, als sich eine schlaue Art-Directorin des Namens eines Künstlers erinnerte, der wie kein anderer für diese Aufgabe geeignet schien …«

Nun hatten die Schatten bereits die höchsten Zinnen erreicht. Während ich den Kopf in den Nacken legte, öffnete Sonja meinen Gürtel.

»Und dann?«

»Es war anders. Keiner hatte den Job übernehmen wollen, schließlich kamen sie zu mir. Ich wollte erst auch nicht. Sie versprachen ein Schweinegeld. Es ging darum, Tiere zu zeichnen, und ich kann gut Tiere zeichnen. Sie wollten meinen Strich, logen sie, ich müßte ihnen nur Tiere zeichnen, ich könnte doch so gut Tiere zeichnen. Auf den Plakaten sollten seltsame Sätze stehen, Sätze, in denen immer wieder Tiere vorkamen. Die Tiere aber sollten nicht genannt, sondern lediglich gezeichnet werden, von mir, weil ich doch so gut Tiere zeichnen kann. Ich kann nämlich wirklich gut Tiere zeichnen.«

»Was waren denn das für Sätze?« flüsterte Sonja und öffnete den Reißverschluß meiner Hose.
»Wenn Sie einen (Frosch) im Halse haben – Eckes Magenbitter. Oder: Damit Sie (Hahn) im Korbe bleiben – Eckes Magenbitter. Oder aber: Gegen den (Kater) – Eckes Magenbitter. Ich zeichnete ihnen schöne Tiere, in meinem Strich, den hatten sie ja auch gewollt. Mein Strich war nervös und federnd, ich gab mein Bestes.«

»Und dann?« fragte Sonja, während sie mit ihren Fingern das Gummiband meiner Unterhose weitete.
»Und dann war ihnen mein Strich zu dünn. Er werde in der Vergrößerung zu rissig, wandte der Kunde ein. Die Art-Directorin pauste deshalb alle meine Tiere mit einem dicken Filzstift noch einmal durch. Ganz plump und widerwärtig starrten sie mich von den Plakatwänden an, wenn ich durch Frankfurt ging, ich mußte immer mein Gesicht abwenden.«

»Mußtest du das?« wollte Sonja wissen, doch waren da nicht noch andere Geräusche, die stetig lauter wurden? So ein Trippeln, Schlurfen, Trappeln? Waren nicht die anderen nachgekommen, umstanden sie uns nicht so angespannt, daß sie kaum zu atmen wagten? War das nicht der ungeeignetste Moment, den Sonja wählen konnte, mir die Hosen runterzustreifen? Hätte sie nicht wenigstens schweigen müssen? Doch sie schrie: »Seht ihr, wie ich dem seinen Ziesemann freilege? Aber abzwiebeln werde ich ihm keinen, denn, hört, er betrieb Magenbitterwerbung!«

»Magenbitterwerbung? Magenbitterwerbung? Magenbitterwerbung?« erscholl es so zornig zurück, daß ich erschreckt den Kopf herumwarf. Und nun sah ich auch, wer da rief, denn nun umstanden mich ja alle, Piero della Francesca und Phyllis, Karl Marx und Chloë, Pastor Mensching und Tante Elsbeth, Sportwart Daguweit und die falschen Freunde. Oder waren es Max Beckmann und Katrin, Albert Schweitzer und Schwester Karla, Oberstudienrat Mittelstaedt und Rosa Luxemburg, Jungscharführer Boenecke und Freifrau von Loeringhausen, der hl. Franziskus und mein Freund Schweinchen? Die einbrechende Dunkelheit ließ die Gesichter ineinanderfließen; es war mir, als kämen immer mehr dazu, als flüsterten sie immer ungenierter in das dichter werdende Blauschwarz der Felsen.
»Ihr Unseligen!« rief ich. »Warum müßt ihr mich gerade jetzt stören? Wie soll ich auf diese Weise denn je zum Punkt kommen?«

»Das ist uns doch egal, du Magenbitterwerber!« tönte es von nah und fern zurück, denn jetzt erhoben sich hoch über mir Silhouetten gegen den abendlichen Himmel, Beobachter, die sich bisher hinter dem gezackten Rande der Zinnen verborgen hatten und die dem Anschein nach Päpste oder Indianer sein mochten. Einer von ihnen, ein kleiner Indianerhäuptling – Papst? – namens Tecumseh – Innozenz? – spannte gar seinen Bogen, indes der Pfeil auf meine Blöße wies. Und endlich begriff ich:

»Ihr seid die Schuldigen!«

»Wir sind die Richter!«

Plötzlich war das Dunkel voller Stimmen: Der begreift nicht, worum es geht. – Der hat noch nie was begriffen. – Hätte er je was begriffen, würde er sich als allererstes die Hose hochziehen. – Der glaubt immer noch, seine lachhafte Magenbitterwerbung sei Sache. – Dabei wollen wir ihm doch bloß seinen Sack abschneiden. – In diesem Zusammenhang fällt mir ein guter Witz ein: Kommen zwei Filzläuse aus dem Kino. Sagt die eine … Kenn ich! Gehen wir zu Fuß oder nehmen wir uns einen Sack? – Sehr gut! – Nicht wahr? Hähä! – Seid doch mal ruhig! Tecumseh kann sich gar nicht richtig konzentrieren! – Aber der heißt doch gar nicht Tecumseh! – Pscht! – Ruhe! – Pssst! – Ssssssst …
Das war das letzte, was ich hörte. Das letzte, was ich sah, war der blendende Reflex des Mondlichts auf Tecumsehs sich so schrecklich langsam näherndem Pfeil.

Aus: Über alles, S. 300–308

Am Abend

Am Abend, wenn die Grille zirpt
und sanft der freie Wille stirbt,
wenn sich der Wunsch nach Gleichem regt
und Weiches sich zu Weichem legt,
wenn, während fern ein Stern erglänzt,
die Dame ernst den Herrn ergänzt,
dann sagen ganze Falterscharen:
Als wir in eurem Alter waren!
Zieht still ein Gott die Rute ein,
wie mag ihm wohl zumute sein?
Wie einsam da der Falter fliegt,
was wohl an seinem Alter liegt.

Aus: Toscana mia, S. 7