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Heinrich Manns »Untertan« lesen II

Zu Heinrich Manns 150. Geburtstag am 27. März 2021 ist eine opulent ausgestattete Neuausgabe seines großen Romans »Der Untertan« bei S. Fischer erschienen. Wir haben zwei Kolleginnen nach ihrer Meinung zu dem Roman gefragt.

Franziska Morgenstern vor einer hellen Wand mit der Taschenbuchausgabe von Heinrich Manns Roman »Der Untertan«
© privat

Manche Klassiker muss man einfach gelesen haben, und auch Heinrich Manns »Der Untertan« gehört für mich auf diese Leseliste. Aber wieso? Liest man, um was es in Heinrich Manns »Untertan« geht, sind die Schlagworte »Macht« und »Aufstieg« in den Schilderungen eines nach Macht strebenden, höchst unsympathischen Diederich Heßling omnipräsent. Der Roman dreht sich um den Antihelden, der sich den Mächtigen demütig unterwirft, härter wird, gesellschaftlich aufsteigt und Schwächere unterjocht. Und so ungern man das auch hört, genau diese Doppelmoral macht die Figur des Diederich Heßling zum spannenden universalen Beispiel, das auch heute noch relevant ist. So stellt er nicht nur einen Charaktertypen dar, dem wir alle sicherlich bereits in unserem Leben selbst begegnet sind oder begegnen werden. Auch gesellschaftliche und ökonomisch Phänomene, wie bspw. das Überleben von Unternehmen im Kapitalismus, werden erklärbar – ganz abgesehen davon, wie sehr durch die Moral des Romans die Bedeutung einer Machtethik oder Erfolgsmoral, aber auch die gesellschaftliche Verantwortung Einzelner präsent wird.

Franziska Morgenstern (Business Analyse und Prozessmanagement)

Paula Hauch mit der Neuausgabe von Heinrich Manns Roman »Der Untertan« vor einem Fenster und einem Bücherregal
© privat

Dunkelgelbe Ränder und der leicht süßliche Geruch von altem Papier. »Der Untertan« steht schon seit langem im Bücherregal meiner Eltern. Den Bruder mit den langen Sätzen kannte ich, Heinrich hatte ich noch nicht gelesen. Ich war überrascht, wie leicht, wie unterhaltsam das Schwere erzählt wird.

Gewalt, ich erinnere mich an die Gewalt Diederichs, die nicht unbedingt körperlich ist. Sie speist sich aus Verbitterung und Unsicherheit. Ich höre Diederich immer schreien. Manchmal wird seine Stimme ganz hoch, fast hysterisch. Seine Augen flackern, angespannt fährt sein Blick von links nach rechts. So stelle ich ihn mir vor.

Heinrich Manns Stimme hilft, kokett, mit geneigtem Kopf fasst er den Schreihals ins Auge. Er kommentiert ihn, ohne ihn zu kommentieren. Keine Ahnung, wie er das macht.

Im Angesicht der Macht wird Diederich weich, formbar. Er wird leise, spricht sanft, zustimmend. Er ist ein Rädchen, das zum Lauf beiträgt. Ein Helfer, der sich selbst glaubt, etwas Höherem zu dienen.

Vor allem aber erinnere ich mich an Diederichs Hass und seine Angst, wie sie alles umgreift, und den Knoten in der Brust, der sich beim Lesen bildet. Ich war in der achten Klasse, als ich das Buch las. Langsam lernte ich, wie gefährlich die Angst von Männern sein kann.

Paula Hauch (Öffentlichkeitsarbeit)

 

Die große Neuausgabe von »Der Untertan«

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